Entstanden im Bildungsurlaub. Aufgabe: Flash Fiction
Es war einer dieser sonnigen Spätherbsttage. Die feuchten Blätter unter ihren Füßen verströmten bereits einen modrigen Geruch. Sie zog die Gartenhandschuhe an, doch statt sich an die Arbeit zu machen, schloss sie die Augen, wandte das Gesicht der Sonne zu und genoss die Wärme auf ihrer Haut. In irgendeinem der anderen Gärten bellte ein Hund. Sie macht sich nicht die Mühe, die Augen zu öffnen und sich umzusehen. Selbst im November bildeten die Büsche und Bäume noch eine dichte braungrüne Wand, die den Bewohnern des Hauses ihre Privatsphäre garantierte. In ihr tauchten Bilder auf. Sie in einem weißen Kleid. Er im Anzug. Er hatte über ihr Gewicht geplappert, als er sie über die Schwelle trug. Sie hatte gelacht und ihn geknufft. Klack, nächstes Bild. Sie im Garten auf einer Decke. Ein glucksendes Baby im Arm. Er, der Büsche und Bäume pflanzte. Ein Mann, ein Sohn, ein Baum. Klack, nächstes Bild. Ein Tisch mit Stühlen, eine Geburtstagsfeier. Er mit ihrer besten Freundin beim Tanz. Wein, Gelächter, ein Vorwurf, eine erhobene Hand, Schmerz. Zum ersten und nicht zum letzten Mal. Wie die Entschuldigung. Zum ersten und nicht zum letzten Mal. Sie öffnete die Augen, ging zum Apfelbaum und berührte die Rinde. Die Herzen, die er hineingeritzt hatte. Das eine für sie beide. Drei Kleine für die Kinder. Bei jedem Veilchen kam sie her. Mit Tränen in den Augen und um die Antwort zu finden, warum sie blieb. Heute. Keine Tränen. Keine Frage. Die Schatten wurden länger.
Sie steckte das Kabel des Häckslers in die Steckdose. Bevor sie den ersten Sack öffnen konnte, vibrierte das Handy in ihrer Hosentasche.
„Hallo Schatz. Nein, es gibt noch immer keinen Hinweis. Die Polizei meint, er sei ein erwachsener Mann. Da könnte man wenig tun.“ Sie sah erneut zum Apfelbaum. „Ja, mach Dir keine Sorgen. Ich komm schon klar. Küss die Kleinen von mir. Ich liebe Euch.“
Sie drücke auf das Handy und steckte es zurück in die Hosentasche. Dann betätigte sie den Schalter des Häckslers. Ein Profiteil. Ihm kam keine Billigware ins Haus. Als der Vertreter bei der Vorführung des Gerätes ulkte, dass sich damit sogar eine gefrorene Leiche zerkleinern ließe, hatte ihr Mann gelacht. Sie auch.
-Ende-
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