Meine erste und einzige Weihnachtsgeschichte.
Sechs Uhr dreißig. Ich saß am Küchentisch. Vor mir eine Tasse Kaffee. Mit tiefhängenden Lidern starrte ich in die schwarze Flüssigkeit.
Ich brauchte Koffein. Die Adventszeit schaffte mich. Der Trubel im Büro, weil plötzlich alles eilig war, der Stress mit den Geschenken und die überfüllte Innenstadt, weil alle auf die Weihnachtsmärkte stürmten, um gepanschten Glühwein in sich reinzuschütten.
Als Klaas pfeifend den Raum betrat, ließ ich kraftlos den Kopf auf dem Tisch sinken. "Jingle Bells" vor Sonnenaufgang. Zu viel für mich. „Schatz, alles gut?“ Klaas´ Worte klangen nur mäßig besorgt.
„Nein!“, jammerte ich. Sein Grinsen konnte ich förmlich spüren. Ich, die Nachteule, wünschte meinen Göttergatten, den frühen Vogel, des Öfteren zu den Pfefferfeldern dieser Welt. Heute Morgen wäre nur ein anderer Planet eine akzeptable Lösung gewesen.
Es war der Samstag vor dem 3.Advent, und in einer Stunde sollten wir im Auto sitzen und auf dem Weg ins Sauerland sein. Allein der Gedanke daran nahm mir die Motivation, den Kopf wieder von der Tischplatte zu heben. Ich hörte nur, wie Klaas meine Kaffeetasse auffüllte. „Du wirst sehen, es wird ein tolles Wochenende. Genau wie letztes Jahr!" Mir lief ein Schauer über den Rücken. Nur bitte das nicht, dachte ich und brummte
„Ich bin krank!“, Klaas ignorierte meine leidende Stimme.
Wir waren seit zehn Jahren zusammen, sieben davon verheiratet und das durchaus glücklich. Doch das dritte Adventswochenende bedeutete jedes Jahr eine Bewährungsprobe für unsere Liebe.
Einer Tradition folgend, traf sich Klaas‘ gesamte Familie zu einem langen Wochenende am Stammsitz im Sauerland. Knapp drei Tage hockten alle aufeinander. Ich war Einzelkind. Meine Eltern genossen das Rentnerdasein auf Mallorca. Wir mochten uns, sahen uns aber selten.
Klaas Familie bestand aus seinen Eltern und seinen drei Brüdern. Hinzu kam noch die gleiche Anzahl an Schwägerinnen. Zudem wuchs die Zahl von Nichten und Neffen stetig. Aktuell waren es gerade sieben. Das gemeinsame Wochenende mit Klaas Großfamilie war nicht das Problem. Ich mochte seine Sippe. Nur dieses merkwürdige, weihnachtliche Ritual war jedes Jahr ein Desaster. Im Flur hörte ich Klaas mit dem Gepäck hantieren. Ich warf einen Blick auf die Küchenuhr. Nur noch eine dreiviertel Stunde. Ich ergab mich in mein Schicksal, verschwand im Bad und saß pünktlich im Auto. Dunkelheit und Nieselregen passten zu meiner Stimmung. Wie bestellt dudelte im Radio "Driving Home for Christmas". Genervt schloss ich die Augen.
Einen Großteil der Fahrt und der Staus verschlief ich. Als wir, knapp sieben Stunden später, das Ortschild von Schmallenberg hinter uns ließen, war ich leidlich ausgeschlafen. Meine Laune hatte sich nur unwesentlich verbessert. Von tiefschwarz zu mausgrau. Statt Nieselregen gab es leichten Schneefall, der die Felder mit einem glänzend weißen Kleid überzog. Die Straße führte durch ein Waldstück. Dahinter ging es rechts ab, in die Zufahrt zum Hof von Klaas Eltern. Die beiden betrieben früher eine Landwirtschaft, hatten diese aber inzwischen
aufgegeben und die alten Ställe zu Ferienwohnungen umgebaut. Buchungen gab es für dieses Wochenende keine. Die Unterkünfte beherbergten über den 3. Advent immer Klaas Brüder mit ihren Familien.
Wir nächtigten in Klaas ehemaligem und unverändertem Kinderzimmer. Unter dem Poster von David Hasselhoff kuschelten mein Mann und ich für zwei Nächte in Klaas Jugendbett, bezogen mit seiner Schalke 04-Bettwäsche, die in unserem Heim Hausverbot hatte.
Als wir in den Hof einbogen, sah ich es sofort. Wir waren die Letzten. Wie immer.
"Wie spät fahren die anderen eigentlich los? Noch vor Mitternacht?", knurrte ich genervt.
"Schatz, entspann´ Dich. Es ist erst halb vier. Wir sind überpünktlich.“ Als wir ins Esszimmer traten, wurden wir mit großem Hallo begrüßt.
Das Familienwochenende begann traditionell mit einem ausgiebigen Kaffeetrinken, das, lediglich unterbrochen von einem kleinen Spaziergang, in ein gemeinsames Abendessen mündete. Meine Schwiegermutter liebte es, die Familie mit ihren Kochkünsten zu verwöhnen. So kam es wie jedes Jahr. Nach viel gutem Essen, dem ausgiebigen Austausch von Neuigkeiten aller Art, begann der feuchtfröhliche Teil des Abends.
Bis die Kinder ins Bett mussten, vergnügten wir uns mit „Wer oder was bin ich“. Mit einem Post-It auf der Stirn stand ich vor dem Kamin im Wohnzimmer. Der Familienclan saß um mich herum und beantwortet meine Fragen mit „Ja“ oder „Nein“.
„Ich bin also eine Pflanze?“
„Ja“, kam es aus dem Auditorium.
„Eine Blume?“ Nils, mein jüngster Neffe schüttelte den Kopf.
„Ein Baum?“ „Nö“, war die gepresste Antwort meines Mannes, der fast im Kreis grinste.
„Och! Das ist nicht fair!“, entfuhr es mir. Ich riss den Zettel von meiner Stirn. Während die Familie sich fast vor Lachen auf dem Boden rollte, starrte ich auf das Wort: „Brennnessel“. Röte stieg mir ins Gesicht.
„Na, Schwägerin“, prustete Martin, Klaas´ ältester Bruder, „hast Du für die diesjährige Jagd ein Campingklo dabei. Nicht, dass dein zartes Popöchen wieder in den Brennnesseln landet“. Ich streckte ihm die Zunge heraus. Im letzten Jahr hatte ich übersehen, dass das Plätzchen im Wald, das ich mir als „stilles Örtchen“ ausgesucht hatte, mit Brennnesseln übersäht war. Über Stunden hatte es gebrannt. Das Ganze war rausgekommen, weil der kleine Nils sah, wie ich mir nach unserer Rückkehr einen Kühlakku in die Jeans geschoben hatte, um die Schmerzen zu lindern. Seither verfolgte mich die Geschichte. Es war an der Zeit für Rache. Ich zog ein Kissen vom Sofa und pfefferte es Martin um die Ohren. Nur Sekunden später waren auch alle anderen mit Kissen bewaffnet.
Erst ein unschönes Klirren stoppte die hemmungslose Kissenschlacht, bei der jeder gegen jeden kämpfte. Wie vom Donner gerührt blickten alle auf die Bodenvase, die, seit ich Klaas kannte, neben dem Kamin gestanden hatte. Unzählige Augen starrten in Richtung meiner Schwiegermutter. Sie presste die Lippen zusammen und blickte bleich auf den Scherbenhaufen. Ihre Lippen begannen zu zittern. Ich erwartete Tränen. Dann fing sie an zu lachen. Prustend erzählte sie, dass das vermeintlich unbezahlbare Familienerbstück von IKEA stammte und dass die Vase nur dort stand, weil sie auf dem Kirchenbasar vor zwanzig Jahren keiner gewollt hatte. Nun lachten alle und der Abend steuerte auf den nächsten Höhepunkt zu.
„Zwei Blondinen sind im Wald und suchen nach dem passenden Weihnachtsbaum. Nach etwa zwei Stunden sagt die eine: „Komm, wir nehmen einfach eine Tanne ohne Weihnachtskugeln.“, gab Klaas‘ Bruder Peter, der unangefochtene Entertainer der Familie, den ersten Weihnachtswitz zum Besten. Es war wohl eher dem Punsch, als dem Niveau der Witze geschuldet, dass das Wohnzimmer vom Grölen bebte. Es war unfassbar, welche Ausmaße die Adventsfeier meiner Familie jedes Jahr annahm. Nur die morgige Jagd hielt mich davon ab, diese Leichtigkeit in vollen Zügen zu genießen.
Plötzlich stand Kai, das Nesthäcken unter meinen Schwägern, mit einem Mikro hinter mir.
„Los Andrea, Du bist dran.“ Ich starrte ihn an.
„Wie immer?“, fragte ich unmotiviert.
„Wie immer!“ Er grinste. Gegenwehr war zwecklos. Die Familie hatte mich zur Karaoke-Queen ernannt, die das weihnachtliche Rudelsingen zu eröffnen hatte.
Die Musik begann. „Last Christmas I gave you my heart“. Ich sang schief, völlig talentfrei, aber leidenschaftlich und mit Inbrust. Stürmischer Applaus belohnte mich. Gegen drei Uhr in der Früh wurde der Abend von meiner Schwiegermutter
für beendet erklärt. Mit einem liebevollen „Ihr müsst ja gleich wieder raus!“, scheuchte sie uns in die Betten.
Entsprechend der Regeln klingelte um acht Uhr der Wecker. Vorher durfte niemand das Bett verlassen. Beim ersten Ping sprang Klaas auf. “Los, sonst ist Peter wieder vor uns am Trecker.“ Ich knurrte, und hoffte auf Erbarmen. Vergebens. Es ging um seine Ehre. Mein Mann, dessen Komfortzone in der Regel nur vom Fernseher bis zum Sofa reichte, mutierte am 3. Advent zum Naturburschen. Sein Jagdinstinkt war geweckt. Er wollte ihn. Den schönsten Weihnachtsbaum im Wald. Er wollte endlich einmal die Jagd gewinnen.
„Los, Schatz. Der frühe Jäger schlägt den Baum“. Es gab keinen Ausweg. Ich stand auf und quälte mich in die Sachen, die meine Schwiegermutter mir rausgelegt hatte. Im Spiegel bot ich, verkatert wie ich war, einen erbärmlichen Anblick.
„Du siehst wunderbar aus, mein Engel“, grinste Klaas.
„Wohl eher wunderlich“, gab ich zurück, während ich den Blick über die dicke Strumpfhose, das weiße Laken, die goldglänzende Rettungsdecke und meinen Alufolien-Heiligenschein wandern ließ. „Könnte ich nicht doch noch die Daunenweste anziehen?“, bettelte ich. „Schatz, Du weißt doch: Jeder Weihnachtsmann hat seinen Engel dabei, der ihm hilft, den schönsten Baum zu finden. Engel! Nicht Michelin-Männchen!“. Als ich versuchte, ihm einen Knuff zu versetzen, packte er meine Arme und küsste mich. Ich musste lachen. Nicht nur, dass sein Rauschebart beim Küssen kitzelte, er sah im Weihnachtsmannkostüm auch einfach zu lustig aus.
„Los, Engelchen!“ sagte er und gab mir einen Klapps auf den Po. Ich stöhnte, nahm aber brav die Flügel vom Stuhl.
„Verdammt, wieder zu spät.“, nörgelte Klaas, als wir auf dem Hof ankamen. Peter, der mittlere Bruder, tuckerte mit seinem Engel im Schlepp Richtung Hauptstraße. Alle wussten, dass der Trecker das beste Gefährt war, um die Traumtanne ohne viel Aufwand aus dem Wald zu ziehen. Im letzten Jahr hatten Klaas und ich verschlafen, und uns war nur das frisierte Moped mit angehängtem Schlitten geblieben. Dessen Zugkraft hatte nur für einen 1,00m großen Nadelbaum gereicht, und wir waren erneut nur auf den hinteren Plätzen des Familienrankings gelandet. Plötzlich sah ich ein Grinsen auf Klaas Gesicht.
Seine Augen ruhten auf dem Aufsitzrasenmäher, der noch in der Garage stand. Plötzlich erklangen Schritte. Kai bog um die Ecke. Hinter ihm trottete ein ebenfalls ramponierter Engel. Birgit, die Arme, als Nicht-Blondine musste sie sich auch noch mit einer blonden Perücke rumquälen. Es war keine Zeit für Mitleid. Es ging darum, erstmals die Jagd zu gewinnen. „Klaas!“, schrie ich. Doch er hatte die drohende Gefahr bereits erkannt und war losgelaufen. Kai´s Sprint wurde jäh vom Saum seines roten Mantels gestoppt. Das gute Stück war ihm deutlich zu groß. Bis er sich wieder aufgerappelt hatte, saß mein Weihnachtsmann längst auf dem Mäher. Ich sprang im Fahren auf und wir
brausten bei leichtem Schneefall vom Hof.
Klaas´ Familie gehörten einige Waldstücke und in den nächsten Stunden würden drei Weihnachtsmänner mit ihren Engeln diese nach dem schönsten Weihnachtsbaum durchforsten. Während ich fror und wehmütig an meine Daunenweste dachte, bog Klaas unvermittelt auf einen Waldweg ab. „Da vorne steht eine super Nordmanntanne. Die hatte ich schon im letzten Jahr im Auge.“ Kurz fragte ich mich, warum eine Tanne, die ja scheinbar so nah am Weg stand, nicht auch den anderen aufgefallen war. Dann blickte ich in die von Klaas angedeutet Richtung. Vor Schreck wäre ich fast vom Mäher gekippt.
Der Baum, auf den Klaas es abgesehen hatte, musste über drei Meter hoch sein. Deshalb interessierten sie die anderen Jäger nicht für dieses Prachtexemplar. Ich brachte nur ein ängstliches „Ambitioniert!“ über die Lippen. Klaas stieg vom Mäher ab. Ein Blick in sein Gesicht ließ seine Entschlossenheit erkennen. Widerstand war zwecklos. Entsprechend den Jagdregeln durfte zum Fällen keine Motorsäge genutzt
werden. Da kam einiges an Arbeit auf uns zu. Klaas nahm Axt, Zugsäge, Arbeitshandschuhe und Schutzbrillen aus dem Sack, den mein Schwiegervater am Vortag bereits im Anhänger verstaut hatte.
„Du willst wirklich dieses Riesending fällen?“ Klaas sah mir tief in die Augen und nickte langsam und mit voller Überzeugung. Dann küsste er mich, wie ein Ritter, der für seine Liebste in die Schlacht gegen einen Drachen zieht. Mein Ritter würde den Baum bezwingen. Er und seine Brüder hatten viel Zeit mit ihrem Vater im Wald verbracht und er beherrschte Axt und Säge. Meine Sorge galt der Frage, wie unser motorisiertes Ross den erlegten Baum aufs heimische Schloss zurückschaffen sollte. Eine Stunde später lag der Baum zu unseren Füßen. Klaas lobte meine Fähigkeiten an der Zugsäge. Ich lächelte und klatschte ihn ab.
"Wir sind ein super Team. Egal ob bei der Haus- oder Holzwirtschaft.", sagte ich grinsend und half ihm zurück in den Weihnachtsmannmantel, den er während der Arbeit ausgezogen hatte. „Und was machen wir nun?“, fragte ich, während mein Blick zwischen dem langen Baum und dem kurzen Anhänger hin und her sprang.
„Wir legen den Baum diagonal auf den Anhänger, und Du setzt dich in der Mitte auf den Stamm.“ Ich schluckte.
„Selbst, wenn wir das Ding mit aller Kraft auf den Anhänger gewuchtet bekommen, hängt er an jeder Seite locker einen Meter über. Und ich soll dann mitten drauf, damit der Baum bleibt, wo er ist?“
„Genau!“, grinste Klaas. „Oder hast Du eine bessere Idee?“.
„Oh ja. Wir fahren ohne Baum nach Hause, werden wieder Letzte und betrinken uns mit dem Eierpunsch Deiner Mutter!“
Klaas lachte und ich resignierte. Als der Baum notdürftig mit einem Seil gesichert, auf dem Anhänger lag, war mein Gesicht zerkratzt und mein Engelskleid-Laken klebte mir am verschwitzen Körper.
„Meinst Du nicht, dass das Seil hält?“, fragte ich in der Hoffnung, ich könnte vermeiden auf dem Baum zu sitzen und ihn während der Fahrt zu stabilisieren.
„Nein, aber Du bringst ausreichend Gewicht mit.“ Als ich die Augen aufriss und die Hände in die Hüften stemmte, überdachte Klaas seine Wortwahl. „Äh, Deine engelsgleiche Figur wird noch etwas mehr Sicherheit geben!“. Er reichte mir die Hand während ich auf den Anhänger stieg und mich wie eine Reiterin auf den Stamm setzte. Klaas´ Worte, „Nordmanntannen haben nicht so pieksende Nadeln.“ quittierte ich mit einem verächtlichen Blick. Klass legte den Sack mit dem Werkzeug auf den Anhänger und bestieg den Mäher. Da es nicht nur um die schönste Tanne ging, sondern auch die Zeit bei der Preisvergabe eine Rolle spielte, tuckerten wir so schnell wir konnten Richtung Heimat.
Ich bemühte mich mit allen Kräften, unsere Beute im Griff zu behalten, während Klaas "Oh, du Fröhliche" in Dauerschleife sang und wahrscheinlich schon von der Preisverleihung träumte.
Unser Weg führte über eine wenig befahrene Kreisstraße. Wenn wir Gesellschaft bekamen, wurde freundlich gehupt und einige Autofahrer kurbelten die Fenster herunter, um einen Weihnachtsmann auf einem Rasenmäher und ein Engel auf einer Tanne zu fotografieren. Wie durch ein Wunder verlief die Fahrt ohne Zwischenfälle. Bis Torben auftauchte. Torben war ein ehemaliger Klassenkamerad meines Mannes und das Auge des Gesetzes in Schmallenberg. Er hasste die gesamte Familie, seit Peter ihm vor Jahren die Freundin ausgespannt hatte. Seither nutze er jede Gelegenheit zur Rache. Er kannte die traditionelle Weihnachtsbaumjagd, und lauerte den Brüdern stets auf. Natürlich konnte er nicht überall sein. Daher gab es Jahre, in denen er kein Knöllchen verteilen konnte. Nun aber stand er mit der Kelle in der Hand am Straßenrand. „Scheiße!“ fluchte Klaas wenig weihnachtlich und bremste.
„Na, wo wollen wir denn hin?“, richtet Torben das Wort an uns. „Kann ich mal die Straßenzulassung für den Mäher sehen? Im Anschluss unterhalten wir uns dann über das Thema Ladungssicherung."
„Torben! Mach´s kurz. Was kostet der Spaß!“
„Och, so 150 Euro bist Du los. Und den Mäher dürft ihr hier abstellen."
„Schikane!“, knurrte Klaas wütend. Torben griff nach dem Zündschlüssel.
"Keine Straßenzulassung, kein Ausflug. Dein Vater kann den Schlüssel in den nächsten Tagen auf dem Revier abholen. Frohe Weihnachten!“ Torben grinste und ließ uns stehen. Mit düsterer Miene kam Klaas zum Anhänger und half mir herunter. Ich litt mit ihm. Ich traf eine Entscheidung.
„Los, Schatz, pack an. Ist ja nicht mehr weit, wir tragen das Ding.“ Klaas sah mich ungläubig an.
„Ist das Dein Ernst?“
„Ich geb doch jetzt nicht auf.“, sagte ich entschlossen und griff nach der Baumspitze. Klaas küsste mich, schulterte den Stamm und wir stapften mit dem Baum die Straße entlang. Wir brauchten fast eine Stunde. Es war eine Qual. Den Blasen an den Händen würden Muskelkater und wahrscheinlich eine schlimme Erkältung folgen. Egal.
Als wir auf dem Hof ankamen, waren wir die Letzten. Als die anderen uns sahen, kamen sie uns zur Hilfe. Während ich von Torben erzählte, stellten die Männer unseren Baum in den vorbereiteten Ständer. Unser Baum war der Größte, aber wir hatten viel Zeit verloren. Während mein Schwiegervater mit Maßband und Blick auf die Stoppuhr den Sieger ermittelte, schmückten meine Schwägerinnen mit den Kindern die Tannen. Als alles fertig war und die Bäume im Lichterglanz erstrahlten, verkündete mein Schwiegervater:
„Es war denkbar knapp. Die verdienten Gewinner der diesjährigen Weihnachtsbaumjagd sind: Klaas und Andrea."
Klaas riss die Arme hoch. Sein Vater schlug ihm stolz auf die Schulter. Seine Brüder umarmten ihn. Ich stand ein wenig abseits, während mein Mann Ehrerbietungen entgegennahm, und selig lächelte. Ich freute mich so sehr für ihn.
Meine Schwiegermutter trat zu mir und reichte mir meine Daunenweste. „Das habt Ihr toll gemacht.“, sagte sie leise. Ich spürte, dass ich auf einem Mal genauso selig lächelte wie Klaas. Irgendwie hatte ich bei der ganzen Aufregung vergessen, wie sehr mich die traditionelle Weihnachtsbaumjagd immer genervt hatte. Während ich auf die geschmückten Bäume, die abgekämpften Weihnachtsengel und die verschwitzten Weihnachtsmänner blickte, stieg ein warmes Gefühl in mir auf.
„Darf ich Dich was fragen?" Meine Schwiegermutter lächelte und nickte. „Wie ist diese Tradition mit den Weihnachtsbäumen eigentlich entstanden?
"Die Jungs waren früher viel mit ihrem Vater im Wald unterwegs. Schon zu Beginn des Advents gingen sie, jeder für sich, auf die Suche nach dem schönsten Baum. Am dritten Advent musste mein Mann sich alle Bäume ansehen. Dann wurde der Schönste ausgesucht, geschlagen und aufgestellt. Heute sind meine Söhne alle erwachsen. Sie haben selbst Familien, und wir schaffen es nie, an den Weihnachtstagen alle zu sehen und ihnen gerecht zu werden. So haben wir uns überlegt, dass wir unser eigenes Fest brauchen.“
Die Augen der alten Frau füllten sich mit Tränen.
„Wir haben erst den dritten Advent, doch kann ich mir nicht vorstellen, dass an einem Heiligen Abend mehr Herzlichkeit, Wärme und Miteinander herrschen könnte, als an den Tagen der jährlichen Weihnachtsbaumjagd. Ich habe all meine Lieben um mich. Wir reden
miteinander, singen gemeinsam und lachen viel zusammen. Für mich sind diese Tage mein Weihnachten!“
Ich nahm meine Schwiegermutter fest in die Arme und drückte sie.
„Wir haben wirklich eine ganz wunderbare Tradition. Ich freu mich jetzt schon aufs nächste Jahr. Frohe Weihnachten.“
-Ende-
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